6.2.2023 – OLG Saarbrücken: Überholversuch eines Rennradfahrerpulks – 2/3 Haftung für den Autofahrer bei kontaktlosem Unfall

OLG Saarbrücken vom 15.12.2022, Az. 4 U 136/21

Ein Autofahrer befuhr eine Landstraße. In seiner Fahrtrichtung war eine Gruppe Rennradfahrer mit ca. 30 km/h unterwegs.

Der Autofahrer setzte zum Überholen an. Als er neben der Gruppe war, sah er ein Fahrzeug mit Pferdeanhänger entgegenkommen. Er bremste daher stark ab und brach den Überholvorgang ab, die entgegenkommende Fahrerin des Anhängerfahrzeuges hatte ebenfalls bis zum Stillsand abgebremst.

Die Radfahrer wandten sich faustschüttelnd dem Autofahrer zu, es kam zu Schwankbewegungen, wodurch zwei Radfahrer zusammenstießen und mehrere Fahrer stürzten.

Einer der Fahrer forderte Schadenersatz und Schmerzensgeld. Er war der Ansicht, dass es zwar zu keinem Kontakt mit dem Auto gekommen sei, das Überholmanöver aber die alleinige Ursache für den Sturz war.

Die Versicherung verweigerte die Zahlung und war der Ansicht, die Radfahrer seien an dem Unfall selber schuld, da sie durch die Wutreaktion die Kontrolle über die Fahrzeuge verloren hätten.

Das OLG Saarbrücken entschied, dass der Autofahrer zu 2/3 haften muss.

Zwar sei es nicht zu einem Kontakt mit den Fahrrädern gekommen. Der Autofahrer habe aber bei einer so unklaren Verkehrslage nicht überholen dürfen. Es sei schon zweifelhaft, ob der geforderte Seitenabstand an der Stelle überhaupt hätte eingehalten werden können. Die Stelle sei auch nicht optimal zu übersehen gewesen, so dass der Gegenverkehr spät erkannt wurde.

Es sei auch nicht so, dass der Überholvorgang schon komplett abgeschlossen war. Es sei ein so enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang gegeben, dass hier eine Zurechnung gerechtfertigt sei. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der Autofahrer schon komplett hinter den Rädern eingeschert war.

Den Radfahrer treffe aber 1/3 Mitverschulden, das Gestikulieren bei hoher Geschwindigkeit berge eine erhöhte Sturzgefahr.